Kirchengeschichte 2
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Kulturhermeneutik des Christentums: Das Leben im Pfarrhaus: Zuschreibungen und Anfragen an eine evangelische Lebensform - Einzelansicht

Eine der wirkmächtigsten sozialgeschichtlichen Veränderungen, die die Reformation mit sich brachte, war das evangelische Pfarrhaus. Schon seit der Reformation, besonders aber seit dem 19. Jahrhundert es in einer schwer erschütterbaren Weise zugleich Zielpunkt hochgestimmter Zuschreibungen wie Ort herausforderungsvollen, teils auch beschwerlichen Lebens.Es gilt im kulturellen Bewusstsein als Ort des Geistes und der Bildung, der Kunst und der Kultur, des lebendigen Austausches und des weitgefächerten Lebens: Hier ist man zugleich sensibel für soziale und emotionale Nöte, diszipliniert in der Führung des eigenen Lebens, ambitioniert in der Pflege der Wissenschaften und Künste und effizient in der Formierung von Leistungseliten. Mit dem evangelischen Pfarrhaus verbunden ist zudem eine spezifische Sicht der Geschlechterrollen, die in ihrer Idealisierung und ihren Ambivalenzen Gegenstand vielfältigster Rezeption und Kritik geworden ist: Die Pfarrfrau ist ebenso das Ideal der fürsorgenden Ehefrau und Mutter wie sie ihre Tätigkeit sich immer stärker zu einem eigenen, freilich unbezahlten Beruf entwickelt. Der Pfarrer verkörpert in ebenso ambivalenter Weise das Ideal eines fürsorglich-intellektuellen Paternalismus.
In der Gegenwart ist nicht nur das Bewusstsein für diese Ambivalenzen gewachsen, zugleich haben auch die Folgen der Individualisierung des Pfarrberufs und der gesellschaftlichen Pluralisierung der Lebensformen auch die Bewohner und Bewohnerinnen des Pfarrhauses längst eingeholt. In den kirchlichen und pastoraltheologischen Spezialdebatten werden alltagslebensführungsspezifische Probleme des Wohnens im Pfarrhaus thematisiert. Dazu zählen etwa die Residenzpflicht, die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten ins Private, die Unangemessenheit des Pfarrhausmodells für die Stellenteilung, Probleme der Arbeitsteilung mit berufstätigen Partnern, die Schwierigkeiten, in nichtkonventionellen, nichtbürgerlichen Lebensformen im Pfarrhaus heimisch zu werden, der Kostendruck und die damit verbundenen Beschwerlichkeiten des eigenen Immobilienerwerbs und anderes mehr.
Die Realität des Pfarrhauses und seine Zuschreibungen klafften schon immer auseinander. Auf dem Bild des Pfarrhauses ruhen Projektionen, und zwar von seinen Anfängen an. Im Seminar sollen kulturelle und theologische, historische wie gegenwärtige Perspektiven thematisiert werden. In der Reflexion auf das Pfarrhaus als Lebensform sollen nicht zuletzt Überlegungen über das Geschlechterverhältnis sowie zu Anspruch und Realität kirchlicher und theologischer Programme der Emanzipation von Rollenvorstellungen vorkommen.

 Zielgruppe: P / M / MANF

Donnerstags 16:00 bis 18:00 Uhr c.t., C009

Prof. Dr. Christian Albrecht, Prof. Dr. Reiner Anselm